Sudetendeutsche Tragödie
Vergeblicher Kampf um die Selbstbestimmung
Heimatarchiv Komotau
Nach dem 1. Weltkrieg und damit auch dem Zusammenbruch der Österreich Ungarischen Monarchie, sollte Europa neu geordnet werden. Oberstes Prinzip: Das Selbstbestimmungsrecht der Völker (US Präsident Wilson).
Die Wurzel der sudetendeutschen Tragödie liegt, einmal abgesehen von über Jahrhunderte schwelenden Nationalitäten- Problemen in der alten Donau- Monarchie, im Ergebnis der sogenannten Pariser Vorort- Verträge von 1919. Die Siegermächte stimmten dort der Gründung eines Staates zu, den es bisher noch nicht gegeben hatte. Der Kunststaat hieß Tschechoslowakei. In ihn sollten auch die Sudetendeutschen hineingepreßt werden.
Obwohl sich schon am 29. Oktober 1918 die Deutsch- Böhmen (Sudetendeutsche) zu einer Provinz Deutsch- Österreich nahezu einmütig bekannt hatten, beschied der 1. Präsident der jungen Tschechoslowakei, Masaryk, am 23. Dezember 1918: "Die von den Deutschen bewohnten Gebiete sind und bleiben unser!" Wohl wissend, daß die Tschechoslowakei ohne die hochindustrialisierten deutschen Gebiete mit 3,5 Mill. Einwohnern (ein Drittel des Staatsvolkes) gar nicht lebensfähig gewesen wäre. Dazu kam, daß Prag, die neue Regierung der Weltöffentlichkeit versprochen hatte, die Tschechoslowakei als eine Art Schweiz zu gestalten. Das erwies sich als Täuschung. Denn: Prag setzte von Anfang an auf das Prinzip der nationalen Alleinherrschaft. Die Tschechen schufen, allen Protesten zum Trotz, vollendete Tatsachen. Tschechisches Militär besetzte die sudetendeutschen Gebiete. Noch vor der Pariser "Friedenskonferenz" 1918. Als in mehreren sudetendeutschen Städten die Sudetendeutschen dagegen friedlich demonstrierten, schoß das tschechische Militär mit Dum- Dum- Geschossen wahllos in die Menge. Es gab Tote und Verletzte, darunter Frauen und Kinder (4. März 1919). Die Rechte der Minderheiten, allen voran die Sudetendeutschen, wurden beschnitten, die Deutschen zu Bürgern 2. Klasse gemacht.
Über diese Entwicklungen gibt es zahlreiche Dokumente. Eines davon: Die Denkschrift der Deutschen Sozialdemokratischen Partei in der Tschechoslowakei an den Sozialistenkongreß in Hamburg, Datum 21. Mai 1923.
Wirtschaftliche Not, hohe Arbeitslosigkeit, von der besonders die deutschen Siedlungsgebiete betroffen waren, Austausch aller deutschen Staatsbeamten gegen tschechische, eine gegen die Deutschen gerichtete Schulpolitik- das alles und mehr trug dazu bei, daß Sudetendeutsche und Tschechen nicht gerade Freunde wurden. Scharfmacher auf beiden Seiten hatten ein leichtes Spiel.
Die Sudetendeutschen in der Mehrzahl wollten nur eines: Raus aus diesem Staat.
Da kam Hitler und versprach "Heimholung ins Reich". Die Westmächte, ihre Demokraten, die sich noch zu gut erinnerten, daß sie 1918/19 das von US Präsident Wilson heilig versprochene Selbstbestimmungsrecht der Völker, was die Sudetendeutschen u.a. betraf, kaltschnäuzig ignorierten, besserten nach (Münchner Abkommen).
Sie erkannten nicht , daß Hitler auf brutale Okkupation aus war und die Sudetendeutschen nur Bauern im Spiel.
Und die Sudetendeutschen? Sie jubelten ihm und seinen Soldaten zu, sie waren "heimgeholt". vom Nationalsozialismus hatten die wenigsten eine Ahnung. Vermutlich hätten sie auch einem Buddhisten zugejubelt, wenn er sie nur vereint hätte mit einem Land ihrer Sprache.
An den Verbrechen der Nazis, verübt seit dem im März 1939 besetzten Protektorat, waren am wenigsten Sudetendeutsche beteiligt. Und: Eine überwältigende Zahl von Tschechen lebten sehr gut mit den Deutschen (keine Wehrpflicht, genug zu essen, gut bezahlte Arbeit). Wer sich allerdings gegen die Besatzer stellte, mußte es büßen. Der Widerstand gegen die Deutschen hielt sich, anders als in Frankreich, sehr in Grenzen. Benesch, im Londoner Exil, war verzweifelt. Die Attentäter, die auf SS- Heydrich angesetzt waren, mußten aus England eingeflogen werden (!) Daß die Deutschen mit einem Masakker auf den Tod ihres Statthalters reagieren würden, war von Benesch kalkuliert und gewünscht. Lidice wurde zum Guernica der Tschechen.
Der Haß gegen die Deutschen, gegen alle Deutschen im Land, wurde in den letzten Kriegsmonaten auch von London aus angestachelt. "Schlagt sie, tötet sie...., Laßt ihnen nichts, als ein Taschentuch zum Weinen...."
Die Wirkung ist bekannt. Die brutalsten Vertreibungen, die Massaker ereigneten sich schon in den letzten Kriegstagen und in den Monaten kurz nach Kriegsende. Ehe die Potsdamer Konferenz ihren Segen für eine" humane Umsiedlung" gab. Etwa 220. 000 Vertreibungstote sind zu beklagen: Erschossen, zu Tode gefoltert, umgekommen in sog. Arbeitslagern.
Die Deutschen wurden vertrieben, weil sie Deutsche waren, wie die Juden vertrieben und vernichtet wurden, weil sie Juden waren. Beide büßten für eine Schuld, die ihnen keiner erklären konnte.
In Böhmen haben Abneigung, Mißtrauen und Haß gegen die Deutschen, die einst böhmische Könige ins Land holten, eine lange Geschichte. Nach Zeiten friedlichen Zusammenlebens mündete der Haß manchmal in Orgien der Verfolgung und Blut (Hussitenkriege).
In der Donaumonarchie fühlten sich die Tschechen als ein Volk von Dienstboten und Schuhputzern abgestempelt. Ihr übersteigertes Nationalbewußtsein verlangte nach einem Staat, in dem sie allein das Sagen hatten. 1918 wurde ihr Traum Wirklichkeit. Die Tschechen verfielen in einen nahezu krankhaften Nationalismus. Es gab längst vage Pläne, die Deutschen mal aus dem Land zu werfen.
In seinem Londoner Exil (1939-1945) arbeitete Benesch dafür konkrete Pläne aus und gewann dafür auch die Alliierten. Zurückgekehrt nach Prag, ließ er sie an den Sudetendeutschen vollstrecken. Als Vorwand diente die Behauptung, die Sudetendeutschen seien die "Fünfte Kolonne" Hitlers gewesen und schuld an der Zerstörung der Tschechoslowakei, die Hitler 1939 zum "Protektorat Böhmen und Mähren machte.