Der Wassermann
In den Fluten der Eger wohnten die Wassergeister oder Wassermänner. Mit den Menschen verkehrten sie sehr freundlich, zeigten sich hie und da auf den Steinen an der Eger oder auf dem Lande selbst, gingen auch in die Bauernhäuser und setzten sich zum warmen Ofen. Das „Wassermännl" hatte ein kurzes, graues Röcklein mit langen Zipfeln, die immer vom Wasser trieften, kurze, graue Hosen, ebensolche Strümpfe und Schuhe. Den Kopf deckte ein dreieckiger, schwarzer Hut. In der Hand hielt er eine Rute, die von den Leuten „Zauberrütl" genannt wurde. An Sonn- und Feiertagen kam der Wassermann, der die Strecke von Klösterle bis Woslowitz inne hatte, ins Wirtshaus an der Eger und schaute den Belustigungen der Biertrinker zu. Er trank nie ein Bier. Doch setzte er hohes Geld auf eine Karte oder wettete mit den Burschen des Dorfes auf der Kegelbahn. Manchmal erzählte er schnurrige Dinge und die Anwesenden lauschten auf seine Worte. Dabei legte er nie sein Zauberrütl zur Seite oder versteckte es an einen sicheren Ort.
Das gute Verhältnis zwischen diesem kleinen Wesen und den Ortsbewohnern wurde gar bald getrübt. Ein Bauer aus Kettwa machte sich einmal den Spaß, das Zauberrütl an einen anderen Ort zu legen. Als der Wassermann nach Hause gehen wollte, bemerkte er mit Schrecken, daß seine Rute fehlte, denn dann schwand seine Kraft und Gewalt über die Menschen. Alles Bitten und Flehen war umsonst, der Bauer war nicht zur Herausgabe zu bewegen. Schließlich meinte dieser: „Wenn du mich zwingst, bekommst du die Rute wieder." Beide gingen nun auf den freien Platz an der Eger und fingen an zu ringen. Alle Leute schauten zu. Endlich blieb der Bauer Sieger. Da rief ihm der Zwerg zornig zu: „Hättest du nur keinen Knoblauch gegessen, so wäre ich sicher Sieger geblieben. Aber wir wetten später ab. Du kommst mir sicher einmal in mein Reich und dann werde ich dir schon einen Spuk beweisen." Sprachs und verschwand in der Eger. Der Wassermann blieb von diesem Tage an aus und in der Gesellschaft war ein Riß. Hatte man sich doch an dieses Männlein wie an einen guten Bekannten gewöhnt. Nach und nach vergaß man den Zwerg ganz und gar. Der Winter zog ins Land und baute wie gewöhnlich die Eisdecke über die Eger. Die Leute gingen übers Eis. Auch unser Bauer wollte mit seiner Frau, die den Mutterfreuden entgegensah, die Kirche in Klösterle besuchen. Als nun beide die Mitte des Flusses erreicht hatten, öffnete sich das Eis und ein kräftiger Arm zog die Frau in die Tiefe. Gleich darauf schloß sich das Eis wieder. Dies alles ging so schnell, daß der Bauer nicht einmal helfen konnte. Wie betäubt stand er da. Er hörte nur noch ein heiseres Lachen weit unter dem Eise. So rächte sich der erzürnte Zwerg. Heute noch wird den kleinen Kindern mit dem „Wassermanne" gedroht.